„Verweile doch, ich bin so schön“ – Dienstag, 14. Oktober 2014

„Verweile doch, ich bin so schön“ – Dienstag, 14. Oktober 2014

10. Juni 2019 0 Von gerhardjenders

Gut geschlafen, gut gefrühstückt: Es kann losgehen. In der Nacht wurde ich vom Regen auf dem Blechdach vor dem Fenster geweckt, doch jetzt ziehen die Wolken touristenfreundlicherweise ab, die Sonne schafft es bestimmt!

Brücke über den Main bei Sand – die Sonne hat noch zu arbeiten!

11 Uhr in Schweinfurt. Die Sonne hat es geschafft, ich musste schon die kurze Hose anziehen! Der Main liegt ruhig da (wegen der Schleusen gibt es kaum Strömung), bisher ist mir noch kein Schiff begegnet. Sehr gelohnt hat sich der Besuch der Ritterkapelle in Haßfurt, zum einen wegen des schönen spät­gotischen Stils, zum anderen weil ich mal wieder meine Vorurteile um die Oh­ren gehauen bekam: Die „konservativ-katholischen Bayern“ hatten in der Kirche eine sehr gute Ausstellung zum Thema häusliche Gewalt gegen Frauen, eine Besucherin, mit der ich ins Gespräch kam, lobte den aufgeschlossenen Pfarrer. Die Leute sind auch freundlich gegenüber Fahrradfahrern, schon zweimal haben Autofahrerinnen extra angehalten, um mich links abbiegen zu lassen (oder hab ich nur wieder mal besonders hilflos ausgesehen?).

Kurz vor Schweinfurt: Schöne (Fußgänger-)Mainbrücke, die aber abgerissen werden soll.

Um drei Uhr bin ich in Kitzingen. Bis hier sind es heute fast genau 100 km ge­wesen, im Sonnenschein, durch Weinberge und durch wunderschöne Dörfer. Bei Wipfeld sollte es eine Fähre geben, doch die hatte einen Motorschaden. Dafür gab es ein Dorf weiter, in Obereisenheim, die nächste. Und es kam sogar ein Frachtschiff vorbei – ein Riesenkahn. Später ist mir auch ein Hotelschiff begeg­net, ist also doch nicht alles „tote Hose“. Kitzingen ist auch eine nette Stadt. Es gibt zwar kein Café am Main-Ufer, aber Bänke und einen neuen schönen Park. Ich seh mir gleich noch die Kirche an (soll ein bedeutender spätgotischer Bau sein), dann gehts weiter nach Ochsenfurt und von da nach Würzburg.

War das ein herrlicher Tag! Das Wetter hat sich gehalten und ich hab die 140 km (genau: 140,87 km in 6h 48min) locker abgespult. Es ist halt ein komforta­bler Radweg. Aber der Main hat so viele schöne Städtchen, die rufen immer wieder „Verweile doch, ich bin so schön!“, doch ich war ja dem Hotel Altstadt versprochen. Jetzt sitz ich in Würzburg auf der alten Mainbrücke und meine Stimmung ist so strahlend wie die der Brückenheiligen (Franconia). Mir scheint, die ganze Stadt ist hier versammelt, um bei einem Glas Wein den lauen Abend zu feiern. Natürlich gibt es auch Live-Musik. Vorher (so zwischen fünf und sechs, als ich im Anflug war), war die ganze Stadt mit dem Rad oder joggend am Mainufer unterwegs, so dass nur noch die einheimischen Radfahrer (keine -innen, die sind rücksichtsvoller) gebrettert sind. Na ja, genau genom­men waren es zwei, die zeitweise schneller als ich gefahren sind. Ich war noch kurz im Dom: Von außen schöne klare Linien, aber innen „barock dekoriert“! Mit der ganzen Schnörkelei kann ich nichts anfangen. Mein Vorschlag: Schlagt den süßlichen Stuck ab, dann wird die Kirche innen so schön wie außen!

Franconia