„Verweile doch, ich bin so schön“ – Donnerstag, 16. Oktober 2014

„Verweile doch, ich bin so schön“ – Donnerstag, 16. Oktober 2014

10. Juni 2019 1 Von gerhardjenders

Acht Uhr, Frühstück fertig, gleich geht’s los. Der Himmel ist trübe, mein Herz aber nicht.

Burg Wertheim – am Morgen noch im Nebel

Halb elf, Kaffee in Miltenberg. Das Herz hat die Stimmung auf den Himmel übertragen: nach ein paar Minuten hörte der Regen auf, die Sonne kommt im­mer wieder durch. Ich bin zunächst bis Mondfeld auf der linken Mainseite ge­blieben, dort gab es eine Fähre nach Stadtprozelten. Der Nebel und die Wolken erzeugten eine wunderschöne Stimmung, bei Dorfprozelten war sogar ein „Alpenglühen“ (auf dem Buntsandstein) zu sehen.

In Aschaffenburg, wo ich kurz nach eins bin, hab ich über die Hälfte geschafft. Der Weg bis hier lief über weite Strecken sehr schön am Fluss entlang, aber zeitweise auch parallel zur stark befahrenen B469. Aber das tat meiner Stim­mung keinen Abbruch, auch nicht, dass mir kurz vor Obernburg eine Speiche gerissen ist. (Damit ist wohl klar, dass ich nicht mehr den Rhein entlang fahre.) So ganz hab ich das mit dem Strahlen gegen Regen nicht geschafft: kurz vor Aschaffenburg fing es doch ernsthaft an zu gießen. Aber wenn man am Wasser­werk vorbei kommt, muss das wohl so sein.

Kurz vor drei in Seligenstadt. Schon wieder so ein schöner Ort! Ich hab mir die Einhard-Baislika angesehen. Jetzt hab ich fast genau 100 km, bis zum Hotel dürften es keine 40 km mehr sein. Gab’s nochmal Regen? Ich weiß es schon nicht mehr, denn jetzt kommt gerade die Sonne durch.

Um kurz nach fünf war ich schon am Hotel. Der Weg lief einfach prima, nur sel­ten musste ich auf die Karte sehen oder umkehren. Und wenn man unter Bäu­men fahren will, muss man auch ab und zu mit Bodenwellen durch Wurzeln rechnen. Ein Stück weit bin ich hinter einem Einheimischen her gefahren, der wusste anscheinend, wo man ausweichen muss; als der Wald vorbei war, hab ich ihn dann doch überholt. Irgendwann haben die Wurzeln es dann aber doch übertrieben: Zwei dicke Bodenwellen direkt hintereinander, auch noch mit Laub getarnt, haben mich aus der Bahn geworfen, das Rad stand quer, ich konnte es zwar abfangen, landete aber auf der Wiese. Passiert ist zum Glück nichts.

Um zwanzig nach vier kam die Frankfurter Skyline in Sicht. Sie ist bei weitem nicht so romantisch wie eine Burg im Nebel oder so erhaben wie eine Bunt­sandstein-Wand, die der Main geschliffen hat, aber es hat doch was, wenn man nach über sechs Stunden Fahrt das Ziel vor Augen hat. Bis ich endgültig da war, wurde es noch richtig voll. Die Leute in Offenbach und in Frankfurt sind am späten Nachmittag tatsächlich selber auch unterwegs und halten sich genauso wenig an die vorgeschrieben Fahr- und Gehspuren wie ich. Und dann gab’s in Offenbach noch so eine chaotische Baustelle am Hafen! Doch wenn man sich dann die Autos ansieht, wie sie im Stau stehen und noch langsamer voran kom­men als ich, dann wird mein Grinsen wieder breiter. Vor der Ankunft im Hotel hab ich noch beim Städel-Museum nachgesehen: Die haben heute bis neun Uhr offen! Also schnell zum Hotel (über die Straße ging das deutlich langsamer als auf dem Main-Radweg), einchecken, duschen und dann nochmal den Kilometer zum Museum, Hat sich wirklich gelohnt, sie haben unter anderem einen Hieronymus Bosch da, viel von Max Beckmann. Beim Rausgehen dann der Kul­turschock: die beleuchteten Hochhäuser auf der anderen Mainseite.

Jetzt hab ich zu Abend gegessen, morgen stehen noch mal etwa 40 km nach Mainz auf dem Programm.

Heute war ich (bis zum Museum) 135,64 km in 6h 41 min unterwegs, das ergibt einen Schnitt 20,3 km/h. Bis zum Hotel waren es 136,85 km in 6h 46,5 min, durch die Zockelei auf den letzten Metern ist der Schnitt 20,2 km/h.